Rechenübungen am 27.11.2003
Mehrfachintegrale
Definitionen: Wir erinnern uns an die Definition des Riemannschen Integrals einer Funktion $y = f(x)$ in den Grenzen von $a$ nach $b$. Wir teilen die Strecke von $a$ nach $b$ in $n$ Teilstrecken $dx_{i}$ auf, im jedem dieser Teilstücke wählen wir einen Punkt $x_{i}$ mit dem zugehörigen Funktionswert $y_{i} = f(x_{i})$. Dann ist das Integral definiert durch

\begin{displaymath}
\int_{a}^{b} f(x) dx = \lim_{n\to \infty} \sum_{i=1}^{n} f(x_{i}) dx_{i}
\end{displaymath}

Die Definition von mehrdimensionalen Integralen ist völlig analog. Wir diskutieren zunächst zweidimensionale Integrale über eine Fläche $S$ in der $x-y$- Ebene.

Auf dieser Fläche sei eine Funktion $z = f(x,y)$ definiert. Das Gebiet $S$ wird wieder in beliebiger Weise in $n$ Teilflächen $dS_{i} = dx_{i} \; dy_{i}$ zerlegt, im Innern (oder auch auf dem Rand) eines jeden Teilstückes wählt man einen beliebigen Punkt $(x_{i},y_{i})$. Dann ist

\begin{displaymath}
\int_{S} f(x,y) dS = \lim_{n\to \infty} \sum_{i=1}^{n} f(x_{i},y_{i})
dS_{i}
\end{displaymath}

das zweifache Integral der Funktion $z = f(x,y)$ über die Fläche $S$.
Entsprechend für das Volumenintegral einer Funktion $w = f(x,y,z)$ mit $dV_{i} = dx_{i} \; dy_{i} \; dz_{i}$:

\begin{displaymath}
\int_{V} f(x,y,z) dV = \lim_{n\to \infty} \sum_{i=1}^{n} f(x_{i},
y_{i},z_{i}) dV_{i}.
\end{displaymath}

Berechnung: Wir halten uns zunächst an zweidimensionale Integrale, da die Prinzipien hier einfacher zu erkennen sind. In der folgenden Skizze sei eine Fläche $S$ gegeben. Die äußersten Punkt in $x$ seien $a$ und $b$ bzw die Punkte $A$ und $B$ in der Ebene. Dann kann die Begrenzung der Fläche $S$ durch $a \leq x \leq b$ und $\varphi_{1}(x) \leq y \leq \varphi_{2}(x)$ gekennzeichnet werden.

Das Integral ist

\begin{displaymath}
\int_{S} f(x,y) dS = \int_{a}^{b} \left( \int_{\varphi_{1}(x)}
^{\varphi_{2}(x)} f(x,y) dy \right) dx.
\end{displaymath}

Für jeden Punkt auf der $x$- Achse bilden wir also zunächst das Integral $\int f(x,y) dy$ zwischen den von $x$ abhängigen Grenzen $y_{1} = \varphi_{1}(x)$ und $y_{2} = \varphi_{2}(x)$. Dieses Integral ist dann noch eine Funktion von $x$. Schließlich summieren (integrieren) wir alle diese Teilintegrale über $x$ von $x_{1} = a$ bis $x_{2} = b$.
Aufgabe 1: Zeigen Sie, daß das Integral $A = \int x y^{2} \; dS$, wobei $S$ die Fläche zwischen der Parabel $y = x^{2}$ und der Geraden $y = 2x$ ist, durch $A = 32/5$ gegeben ist.

Die Berechnung von Volumenintegralen ist völlig identisch, nur hat man zwei weitere Begrenzungsfunktionen $z = \psi_{1}(x,y)$ und $z = \psi_{2}(x,y)$ (siehe Skizze).


\begin{displaymath}
\int_{V} f(x,y,z) dV = \int_{a}^{b} \int_{\varphi_{1}(x)}
^{...
... \int_{\psi_{1}(x,y)}^{\psi_{2}(x,y)} f(x,y,z) dz \; dy
\; dx.
\end{displaymath}

Wir sehen an dieser Formel bereits, daß Volumenintegrale in kartesischen Koordinaten im allgemeinen sehr kompliziert werden. Wir verzichten daher auf eine Aufgabe. In der Physik wählt man häufig andere Koordinaten, die den speziellen Problemen besser angepaßt sind, und zwar Zylinder- oder Kugelkoordinaten.
Volumenintegrale in Zylinder- und Kugelkoordinaten: Zylinderkoordinaten sind gegeben durch
$\displaystyle x$ $\textstyle =$ $\displaystyle \rho \; cos\varphi$  
$\displaystyle y$ $\textstyle =$ $\displaystyle \rho \; sin\varphi$  
$\displaystyle z$ $\textstyle =$ $\displaystyle z$  

Das infinitesimale Volumenelement $dV = dx \; dy \; dz$ kann dann transformiert werden zu:

\begin{displaymath}
dV = dx \; dy \; dz = \rho \; dz \; d\rho \; d\varphi.
\end{displaymath}

Wir wollen diese Formel hier nicht beweisen. Man muß im Prinzip $dx = \vert\partial x/\partial \rho\vert d\rho + \vert\partial x/\partial \varphi) \vert
d\varphi + \vert\partial x/\partial z\vert dz$ berechnen, entsprechend $dy$ und $dz$ und alles in $dV = dx \; dy \; dz$ einsetzen. Beim Grenzübergang $dV \to 0$ oder $n \to \infty$ dürfen dann noch alle Terme mit $(d\rho)^{2}$, $(d\varphi)^{2}$ und $(dz)^{2}$ vernachlässigt werden. Die so erhaltene Formel

\begin{displaymath}
\int_{V} f(x,y,z) dV = \int_{\varphi_{1}}^{\varphi_{2}}
\in...
... \varphi)} f(\rho, \varphi, z)
\rho \; dz \; d\rho \; d\varphi
\end{displaymath}

sieht auf den ersten Blick natürlich absolut nicht einfacher aus als die Formel in kartesischen Koordinaten, im Gegenteil, wir haben uns noch einen Faktor $\rho$ im Integranden eingehandelt. Trotzdem, wie wir in einigen Anwendungen sehen werden, sind die Integrationsgrenzen in Physik- Aufgaben häufig sehr einfach, nämlich Konstanten.
Bei der Wahl von Kugelkoordinaten ist
$\displaystyle x$ $\textstyle =$ $\displaystyle r \; sin\theta \; cos\varphi$  
$\displaystyle y$ $\textstyle =$ $\displaystyle r \; sin\theta \; sin\varphi$  
$\displaystyle z$ $\textstyle =$ $\displaystyle r \; cos\theta$  

und das infinitesimale Volumenelement

\begin{displaymath}
dV = dx \; dy \; dz = r^{2} \; sin\theta \; dr \; d\theta \; d\varphi
\end{displaymath}

Aufgabe 2: Schreiben Sie das Volumenintegral $\int_{V} f(x,y,z) dV$ in Kugelkoordinaten.
Als einfachstes Beispiel wollen wir das Volumen einer Kugel mit Radius $R$ berechnen. Dann kann $f(x,y,z) = 1$ gewählt werden und die Integrationsgrenzen sind durch $0 \leq \varphi \leq 2\pi$, $-\pi \leq \theta \leq +\pi$ und $0 \leq r \leq R$ gegeben.

$\displaystyle V$ $\textstyle =$ $\displaystyle \int_{0}^{2\pi} \int_{-\pi}^{+\pi} \int_{0}^{R} r^{2} \; sin\theta
\; dr \; d\theta \; d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{3} R^{3} \int_{0}^{2\pi} \int_{-\pi}^{+\pi} sin\theta \;
d\theta \; d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{3} r^{3} \int_{0}^{2\pi} [-cos\theta ]_{-\pi}^{+\pi}
d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{2}{3} R^{3} \int_{0}^{2\pi} d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{4\pi}{3} R^{3}.$  

Aufgabe 3: Man berechne das Integral $I = \int_{V} (cos\theta /r^{2}) \; dV$, erstreckt über das Volumen eines Kegels, dessen Höhe gleich $h$ und dessen Winkel an der Spitze $2\alpha$ ist.

Lösungen zu den Rechenübungen am 27.11.2003
Aufgabe 1:

$\displaystyle A$ $\textstyle =$ $\displaystyle \int_{0}^{2} \left( \int_{x^{2}}^{2x} x y^{2} dy \right) dx = \int_{0}^{2} x \left[
\frac{y^{3}}{3} \right]^{2x}_{x^{2}} dx$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \int_{0}^{2} \left( \frac{8}{3} x^{4} - \frac{1}{3} x^{7} \right) dx =
\frac{1}{3} \left[ \frac{8}{5} x^{5} - \frac{1}{8} x^{8}\right]^{2}_{0}$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{3} 2^{5} \left( \frac{8}{5} -1 \right) = \frac{32}{5}$  

Aufgabe 2:

\begin{displaymath}
\int_{V} f(x,y,z) dV = \int_{\varphi_{1}}^{\varphi_{2}} \int...
...(r,\theta,\varphi) r^{2} \; sin\theta \;
dr d\theta d\varphi.
\end{displaymath}

Aufgabe 3:
Lösung in Kugelkoordinaten:
$\displaystyle \varphi_{1}$ $\textstyle =$ $\displaystyle 0, \; \; \; \; \; \varphi_{2} = 2\pi$  
$\displaystyle \theta_{1}$ $\textstyle =$ $\displaystyle 0, \; \; \; \; \; \theta_{2} = \alpha$  
$\displaystyle r_{1}$ $\textstyle =$ $\displaystyle 0, \; \; \; \; \; r_{2} = \frac{h}{cos\theta}$  

Damit erhalten wir
$\displaystyle I$ $\textstyle =$ $\displaystyle \int_{0}^{2\pi} \int_{0}^{\alpha} \int_{0}^{h/cos\theta} \frac{cos\theta}{r^{2}} r^{2} sin\theta
\; dr \; d\theta \; d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \int_{0}^{2\pi} \int_{0}^{\alpha} \frac{h}{cos\theta} cos\theta \; sin\theta \; d\theta d\varphi$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle h (1 - cos\alpha) \int_{0}^{2\pi} d\varphi = 2 \pi h (1 - cos\alpha)$  

Eigentlich bietet sich eine Lösung in Zylinderkoordinaten an. Diese ist in diesem Fall allerdings sehr viel umständlicher, da die merkwürdige Funktion noch im Integral steht.



Harm Fesefeldt
2007-08-01